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Dieser Krieg ist eine Katastrophe für Europa. Das ohne Juden kein Europa mehr ist

(Interview mit dem Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt in der Originalsprache)

Vielen Dank, dass Sie, Herr Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, bereit waren, dieses Gespräch mit mir zu führen. Sie sind ein vielbeschäftigter Mann als Vorsitzender der Konferenz der Europäischen Rabbiner. Ab 1993 lebten Sie in Moskau… 

Oberrabbiner Goldschmidt: …Nein, sogar seit 1989 schon, noch zu sowjetischen Zeiten. 1993 bin ich dann Oberrabbiner von Moskau geworden.

Petre M. Iancu: Dann irrt sich Wikipedia…Sie haben heute Morgen natürlich, wie andere orthodoxe Juden auch, Ihr Gebet gemacht und haben sich dabei an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert. Sie selbst mussten Russland im März, kurz nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, fluchtartig verlassen. Haben Sie sich dabei ein bisschen wie ein Geretteter aus dem Sklavenhause des Pharao gefühlt?

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: 33 Jahre habe ich in Moskau gelebt und die Stadt in der zweiten Woche des Krieges gegen die Ukraine verlassen. Solange ich in Moskau den Posten als Oberrabbiner innehatte, konnte ich nicht offen reden, auch um Probleme für meine Gemeinde zu vermeiden. Das hat sich nun geändert. Derzeit besuche ich jüdische Flüchtlinge aus der Ukraine in Rumänien und Moldau, um ihnen zu helfen. Wenn ich mir diese Schicksale ansehe und anhöre, muss ich sagen, dieser Krieg, den Russland führt, ist eine Katastrophe für Europa, die Ukraine, die dortige jüdische Gemeinde, aber auch die russischen Juden, die in eine ungewisse Zukunft blicken. 

Petre M. Iancu: Sie waren gezwungen, Russland zu verlassen, weil – so wird es in der Presse verbreitet – Sie nicht willens waren, den Angriffskrieg Putins zu unterstützen. Haben wir uns in Putin geirrt in all diesen Jahren? Was ist falsch gelaufen in den letzten Jahrzehnten, was haben wir Juden, was haben wir Europäer denn falsch gemacht in Bezug auf Putin?

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: Als die UdSSR zusammengebrochen ist, wollten die meisten sowjetischen Juden das Land verlassen und ihr Leben in Israel, in den USA oder in Deutschland weiterführen. 1989 gab es eine Million Juden in Moskau, jetzt befindet sich davon noch ein Zehntel in der russischen Hauptstadt. Mit den Juden, die geblieben sind, haben wir eine neue Gemeinde gebaut, nicht nur in Russland, auch in der Ukraine und überall in der ehemaligen Sowjetunion. Es gab eine echte Renaissance jüdischen Lebens. Wir bauten in Russland Synagogen, Gemeindezentren, Schulen. Nur unter Präsident Jelzin gab es eine gewisse Freiheit, aber auch viel Chaos. Als Putin an die Macht kam, begann der russische Staat immer autoritärer zu werden, erst schleichend, dann rapide seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 bis zum russischen Angriff auf die Ukraine. Am 24. Februar sind wir schlichtweg in einem anderen Land aufgewacht, was ich seitdem nicht mehr wiedererkenne. 

P. M.I: Verstehe. Aber war das alles nicht irgendwie vorauszusehen, vor allem, dass Putin die jüdische Seite ein wenig benutzt, da er ja sagen konnte, seht her, die Juden sind in meinem Boot, also mit ihnen da kann er auf keinen Fall ein Nazi sein, er, der die ukrainische Seite als Nazis anprangert und  nun auch die Jewish Agency dicht machen will, wie es sich herausstellt  – konnte man das alles nicht voraussehen?

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: Ich trage nicht die Verantwortung für alle Gemeinden in Russland. Die große Mehrheit der russischen Juden hatte nie enge Beziehungen zur russischen Regierung. Die Probleme begannen im Jahr 2000, als Putin die Nachfolge von Jelzin als russischer Präsident antrat. Damals waren sowohl die liberalen als auch orthodoxen unter dem Dach des Russischen Jüdischen Kongresses vereint, der vom Medienunternehmer Wladimir Gussinski angeführt wurde. Seine Medien haben letztlich durch regierungskritische Töne den Zorn des Kremls auf sich gezogen, was schließlich zur Inhaftierung Gussinskis führte. Vom Augenblick seiner Verhaftung an gründete die Regierung eine neue alternative jüdische Gemeinde, mit einem alternativen Oberrabbiner. Das war eine Chabad-Gemeinde, die der Macht sehr nahestand und immer noch steht. 

PMI: Sie befinden sich nun in Rumänien. Stimmt es, dass Sie einen persönlichen Bezug zum Land haben? Lebte Ihr Großvater nicht als Chassid irgendwo im Karpatenraum? Und was nahmen Sie sich als Vorsitzender der europäischen Rabbinerkonferenz in Rumänien vor?

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: In Rumänien befinden sich viele ukrainische Flüchtlinge, deren größte Konzentration in Neptun ist…

PMI…Badeort am Schwarzen Meer. 

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: In der Tat. Viele sind aus Odessa da, die Tikva-Kinder- und Jugendhilfsorganisation zum Beispiel. Das sind mehr als 1.000 Menschen, ein Waisenhaus, eine Schule und eine rabbinische Schule. Europaweit ist das die größte Konzentration jüdischer Flüchtlinge aus der Ukraine. Die Europäische Rabbinerkonferenz unterstützt sie humanitär und hierfür sogar hat einen Fonds gegründet, um den Flüchtlingen zu helfen. Deswegen bin auch derzeit in Rumänien, um vor Ort zu helfen und weitere Hilfe zu koordiniere. Aber meine Beziehung zu Rumänien und meine Verbundenheit mit dem Land sind tiefer. Sie stammen noch aus meiner Zeit in Israel, als ich Jahr 1988 als junger Rabbiner ersucht wurde, nach Moskau zu gehen und die dortige jüdische Gemeinde aufzubauen. Damals riet mir der damalige Oberrabbiner Israels Shapira: „Wenn Du in einem kommunistischen Land amtieren willst, musst du zum einzigen Rabbiner gehen, der auch unter stalinistischen und kommunistischen Machthabern imstande war, eine jüdische Gemeinde zu führen.” Das war Rabbiner Moshe Rosen, der über 40 Jahre als Oberrabbiner von Rumänien die Geschicke seiner Gemeinde geführt hat und ein wertvoller Mentor für mich war, in Moskau Fuß zu fassen.  

PMI: Wie lange planen Sie, in Rumänien zu bleiben?

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: Es ist in kurzer Zeit mein zweiter Aufenthalt in Rumänien. Die jüdische Gemeinde im Exil braucht auch weiterhin Hilfe, sodass ich sehr bald wiederkommen werde. 

PMI: Herr Oberrabbiner, als Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz wird man von Ihnen vielleicht wissen wollen, wo es in Zukunft langgeht,- da Menschen ja heutzutage sehr desorientiert sind : Was ist denn zu tun, was haben wir zu tun, um diese schlimme Zeit, samt ihren Krisen, zu überstehen und zu überwinden? 

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: Wir sind nur Menschen und jeder einzelne Mensch muss versuchen, sein Äußerstes für seine Mitmenschen zu leisten, speziell für jene, die leiden, die kein Zuhause, die nichts zu essen haben und in Not sind. In Kriegszeiten ist das alles noch viel wichtiger als in Friedenszeiten.

PMI: Was sind die größten Probleme für die Juden in Europa, Herr Oberrabbiner?

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt: In den letzten Jahren hatten wir große Probleme mit der Sicherheitslage in Europa. Es gab viele Terroranschläge und Angriffe auf Juden etwa in Frankreich, Belgien, Deutschland und Dänemark durch Islamisten, Links- und Rechtsextreme. Die Sicherheitslage stellt aber nur eine Seite dieser Probleme dar. Die andere betrifft den politischen Antisemitismus, der ebenfalls zugenommen und sich in einer Welle von Gesetzen entladen hat, die die jüdische Religionsfreiheit einschränken, insbesondere durch Verbote der Beschneidung und des koscheren Schächtens. Wenn man danach geht, sind die Worte vieler europäischer Politiker, „dass ein Europa ohne Juden kein Europa sei“, nicht mehr sonderlich ernst zu nehmen. Wenn sie es ernst mit einem nachhaltigen jüdischen Leben in Europa, sollten sie diese die Religionsfreiheit beschneidenden Gesetze dringend überdenken und abschaffen.

PMI: Herr Oberrabbiner, danke für dieses Gespräch


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INTERVIU EXCLUSIV Acest război e o catastrofă pentru Europa. Care, fără evrei, nu mai e Europa

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